Spiegel-Online meldete kürzlich, dass bereits Zweidrittel aller Schulleitungen Lehrkräfte einsetzen, die keine originäre Lehramtsausbildung haben. Damit griff der Spiegel eine Pressemeldung des VBE vom 24.11.2023 auf, nach der dies eines der Egebnisse einer forsa-Umfrage unter 1300 Schulleitungen gewesen sei.

ein-bildungsexperte.de meint dazu: In einem Epigramm des römischen Satirikers Martial heißt es:

Kürzlich war er noch Arzt, jetzt ist Diaulus Leichenträger.
Was er als Leichenträger macht, hat er auch als Arzt getan.

In unserer modernen Gesellschaft herrscht die Vorstellung, dass die Qualität von Arbeit durch eine genormte Ausbildung oder ein Studium gesichert werden kann, indem Ausbildungsinhalte vorgegeben werden und das Erreichen der Anforderungen überprüft wird. Ich kann also davon ausgehen, dass meine Blinddarmoperation von geschultem Personal vorgenommen wird und die Wahrscheinlichkeit recht gering ist, dass ich auf dem Leichenacker lande.

Dies gilt ebenso für den Bildungsbereich: Tendenziell sollte mit regelrecht ausgebildetem Lehrpersonal ein höherer Standard erreicht werden können. Nun herrscht aber auch in der Bildung das Diktat der Finanzen. Die Versorgung mit Personal ist bestenfalls auf einen angenommenen Bedarf hin ausgerichtet, teils wird auch von vornherein eine leichte Unterversorgung hingenommen. Das System ist also "auf Kante genäht" und bietet keinerlei Reserve für einen kurzfristig steigenden Bedarf, aus welchen Gründen auch immer sich dieser ergibt.

Hier kommen nun Seiten- und Quereinsteiger ins Spiel. Für erstere ist das vorzügliche Beispiel das der so genannten "Mikätzchen": In den 1960er Jahren versuchte der NRW-Kultusminister Paul Mikat dem Personalnotstand in den Grund- und Volksschulen entgegenzuwirken, indem er Seiteneinsteiger unterrichten ließ, die lediglich ein Abitur nachzuweisen hatten und dann berufsbegleitend noch Schulungen erhielten. Auch heute kann es vorkommen, dass Studenten aushilfsweise unterrichten, obwohl sie ihr Studium gerade erst begonnen haben. In einem Leserbrief im "Kölner Stadtanzeiger" schilderte vor Jahren ein Ingenieur, er sei in einer Hauptschule als Aushilfslehrer für Physik engagiert worden, habe dann aber alles unterrichten sollen, zum Beispiel Englisch und Geschichte, aber kein Physik.

Quereinsteiger hingegen haben ein Fachstudium absolviert, allerdings ohne den pädagogischen Teil. Wenn sie kein regelrechtes Referendariat absolvieren, kann es auch ein "abgespecktes" in Form von Blockveranstaltungen sein, das neben einem weitaus höheren Unterrichtsdeputat zu leisten ist, als es herkömmliche Referendare haben. Eine weitere Variante ist die Weiterbildung von Lehrern anderer Fächer. So saßen in den 1990er Jahren in NRW solche Lehrer in den Seminaren der Lateinstudenten und in Rheinland-Pfalz gab es eine eigene Weiterbildung zum Lateinlehrer in den 2000er Jahren.

Sicherlich: Ein regelrecht ausgebildeter Lehrer kann dennoch ein schlechter sein und Seiten- und Quereinsteiger können gute Arbeit leisten und tun dies auch. Und ich werde auch dankbar sein, wenn mich ein freundlicher Passant vor dem Erstickungstod rettet, indem er en passant mit einem dazu zweckentfremdeten Kugelschreiber einen Luftröhrenschnitt vornimmt, bevor überhaupt nur jemand einen Krankenwagen gerufen hat (so ähnlich in dem Film "Der Krieger und die Kaiserin" von Tom Tykwer). Aber wo es möglich ist, sollte Qualität von vornherein gedacht sein.

Also: Schluss mit der Sparerei im Bildungssektor! Personal sollte über die reine Bedarfsdeckung hinaus vorhanden sein und kann für die Einrichtung kleinerer Lerngruppen, Förderunterricht oder Teamteaching immer sinnvoll eingesetzt werden.